Trauerbegleitung – Trauernden begegnen – mit der eigenen Trauer leben

Zum Themenbereich “Trauer, Trauerbegleitung, Trauernden begegnen und mit der eigenen Trauer leben” gibt es sehr viele Bücher, Vorträge, Seminare und gute, professionelle Begleiter. Meine Ausführungen können und sollen diese nicht ersetzen, sie sollen gegenüber Büchern eine möglichst kurze Zusammenfassung sein, sie soll Menschen, die in ihrer aktuellen Lebenssituation kein Buch zu diesen Themen lesen oder einen Vortrag besuchen würden, ermutigen sich dem Thema zu öffnen. Die Ausführungen sollen Ihnen eine Hilfe sein, Trauernden sicherer und angemessen zu begegnen und sollen Ihnen auch für den Fall helfen, selbst besser auf das meist schnell eintretende Thema eingestellt zu sein. Trauer ist immer sehr individuell. Nachfolgende Ausführungen sind meine persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen aus meinem eigenen Leben, Gesprächen, Büchern und Veranstaltungen.

Trauernde, fühlen sich von Menschen mit eigener, vielleicht auch ähnlicher Trauersituation oft schnell verstanden – Trauernde empfinden vieles weitgehend gleich oder ähnlich.

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Trauer – Trauernden begegnen – Trauerbegleitung

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Inhalt

1     Zur Person.
2     Trauer – Anlässe für Trauer
3     Vom Umgang mit Trauernden.
3.1      Zeit der Verabschiedung und die ersten Wochen.
3.2      Zeit danach.
3.3      Wie sollen sich Sie sich gegenüber Trauernden verhalten?.
3.3.1       Das tut dem Trauernden gut
3.3.2       Das sollten Sie vermeiden.
3.4      Was braucht der Trauernde jetzt?.
4     Trauer „leben“
4.1      Trauer ist niemals gleich – Trauerbeziehungen.
4.2      Wer trauert?.
4.2.1       Verwaiste Eltern.
4.2.2       Verwaiste Kinder oder Geschwister
4.2.3       Trauer um den Lebenspartner
4.2.4       Trauer über Eltern.
4.2.5       Haben es Menschen leichter, die beruflich mit Trauer und der Begleitung Sterbender zu tun haben?
5     Was kann helfen mit Trauer und anderen Verlusten und Belastungen zu leben.
6     Trauerphasen.
7          Bücher und andere Hilfen

Vorwort

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich in die männliche Form gewählt, sie gilt in gleicher Weise für Leserinnen.

Zum Thema Trauer – Trauerbegleitung – Trauernden begegnen – gibt es sehr viele gute Bücher, Vorträge, Seminare und gute, professionelle Begleiter. Meine Ausführungen können und sollen diese nicht ersetzen, sie sollen gegenüber Büchern eine kürzere Zusammenfassung sein. Trauer ist immer sehr individuell. Nachfolgende Ausführungen sind meine persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen aus Gesprächen, Büchern und Veranstaltungen.
Ich beobachte immer wieder, dass Trauernde vieles weitgehend gleich oder ähnlich empfinden. Trauernde, fühlen sich von Menschen mit eigener, vielleicht auch ähnlicher Trauersituation oft gut angenommen und schnell verstanden.

1       Zur Person

Vom Januar bis Juni 2016 habe ich einen Kurs als Hospizbegleiter des
Hospizvereins Schwandorf e. V. teilgenommen. Ich übernehme ehrenamtlich Sterbe- und Trauerbegleitung.

Im Oktober 2000 ist unser Sohn Michael bei einem Verkehrsunfall im Alter von 16 Jahren tödlich verunglückt. Zwei Jahre nach meiner beruflichen Tätigkeit haben mich meine eigenen Erfahrungen veranlasst, mich in der Sterbe- und Trauerbegleitung zu engagieren, diese Begegnungen sind für mich auch persönlich sehr wertvoll.

2       Trauer – Anlässe für Trauer

Wenn wir von Trauer sprechen meinen wir üblicher Weise zunächst die Trauer um nahe Angehörige und Freunde. Von Fachleuten wird darauf hingewiesen, dass auch andere Schicksale uns in eine sehr tiefe Trauer mit ähnlichen Trauerphasen stürzen können, dies kann die Nachricht einer schweren, möglicherweise unheilbaren Krankheit sein, der Verlust einer Beziehung zum Partner und/oder zur Familie, zu einem oder mehreren Kindern (Beziehung), zu einem sehr guten Freund, des Arbeitsplatzes oder von Besitz (Existenz), der beruflichen Stellung, des Ansehens oder der gesellschaftlichen Stellung (Würde) und viele andere Verluste, wie auch der Verlust der Selbstbestimmung und des Alterns.

Wir dürfen die unterschiedlichen Trauersituationen niemals vergleichen und nicht bewerten, auch nicht bezogen auf das Alter des Verstorbenen und der Trauernden und wir dürfen sie gegenüber Trauernden niemals als Versuch der Tröstung verwenden!

Am 11.11.2000, kaum mehr als ein Monat nach dem Tod unseres Michaels, ereignete sich das Unglück der Gletscherbahn von Kaprun. Ich hörte von Familien, die den Vater und mehrere Kinder verloren haben, enorme existenzielle Sorgen waren damit verbunden.
Ich empfand für die Ehefrau und die hinterbliebenen Kinder eine sehr tiefe Trauer, meine Gedanken waren oft bei ihnen, ich dachte wie groß und unvorstellbar das Leid für diese Familie sein musste, doch konnte dies unsere Trauer nicht erleichtern, ein gut gemeinter Hinweis auf diese Schicksale konnte für uns keine Hilfe sein.

3       Vom Umgang mit Trauernden

3.1      Zeit der Verabschiedung und die ersten Wochen

Formen der Trauerbekundung

Unmittelbar nach dem Tod eines geliebten Angehörigen erleben Trauernde oft eine sehr große Anteilnahme, diese wird auch in Form sehr wohltuender Trauerkarten, Briefe, in persönlichen Begegnungen und der Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten ausgedrückt.

Für Trauernde ist dies meist auch sehr wohltuend, sie wird als Wertschätzung des Verstorbenen, als Anteilnahme an der Trauer der Angehörigen und als Ausdruck des Mitgefühls wahrgenommen.

Je nach Nähe zum Trauernden und die Beziehung zu ihm sind alle bisher gebräuchlichen Formen der Kommunikation zu den Trauernden gut. Wer früher einen regelmäßigen oder gar häufigen Kontakt hatte, auch wenn er in den letzten Jahren abgerissen war, kann wieder die früher gebräuchlichen Kontaktformen ganz natürlich nutzen.

Trauerkarten, Trauerbriefe: wenn es Ihnen möglich ist persönliche Worte zu finden, ist dies für den Trauernden sehr wohltuend, wenn Sie sich damit schwer tun, ist auch eine Trauerkarte ohne persönliche Worte oder mit nur wenigen Worten ein Trost.

Telefonate: wenn Sie früher mit dem Trauernden telefoniert haben, ist dies auch jetzt möglich, auch wenn Trauernde in den ersten Tagen oft nur kurz sprechen wollen. Seien Sie aber auch für den Fall vorbereitet, dass der Trauende gerne länger sprechen möchte und Sie dann ausreichend Zeit haben, zumindest sollten Sie anbieten, dass Sie sich wieder melden.

E-Mail, SMS, ua: auch diese Formen können dem Trauernden gut tun, je nachdem wie er diese Kommunikationsformen selbst nutzt und ob sie für Ihre Beziehung zum Trauenden passend sind. Oft gibt die trauernde Freundin oder Freund später die Rückmeldung, „diene täglichen (regelmäßigen) Trost- oder Anteilsworte haben mir gut getan – ich habe sie immer wieder gelesen“.

Persönlicher Besuch: früher waren aus der Verwandtschaft, Nachbarschaft, aus dem Freundeskreis und Kollegenkreis Trauerbesuche „normal“. Wenn sie auch heute nicht mehr so oft gebräuchlich sind, können sie für den Trauernden dennoch sehr hilfreich sein.

Auch wenn es im Allgemeinen üblich ist, dass Sie auf eine Kontaktaufnahme ihrerseits eine Antwort erwarten dürfen, ist es für Trauernde oft nicht möglich die Kraft für eine Antwort aufzubringen, das ist dann auch zu respektieren und in Ordnung. Bringen Sie bei einer Kontaktaufnahme sehr viel Feingefühl mit, reagieren Sie flexibel und besonders tolerant, je nachdem wie der Trauernde bezogen auf den aktuellen Moment oder grundsätzlich reagiert. Fragen Sie, ob Sie sich wieder melden sollen/ dürfen? Auch wenn in der ersten Phase der Trauernde für ein Gespräch nicht aufgeschlossen sein konnte, kann es sehr wertvoll sein, zu späterer Zeit vorsichtig einen neuen Versuch zu unternehmen.

Mehr hierzu in „Trauenden begegnen“, Elisabeth und Rainer Strnad, Seite 43ff

3.2      Zeit danach

Schon wenige Wochen nach dem Tod des Angehörigen fühlen sich Trauernde oft alleingelassen.

  • Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen und Bekannte verhalten sich distanziert
  • Oft wird zwar nachgefragt, „wie geht es dir“ – gleichzeitig wird dem Trauernden deutlich, dass sich der Gesprächspartner mit einem ausführlicheren Gespräch überfordert sieht. Der Trauernde selbst ist jedoch in dieser Zeit oft nicht in der Verfassung, das Gespräch selbst so zu lenken, wie es ihm ein Bedürfnis oder eine Hilfe sein könnte, enttäuschend sind dann auch Signale des „Gesprächspartners“, dass er jetzt gerade wenig Zeit hat.
  • In Begegnungen wird der Verstorbene oft nicht erwähnt. Trauernde empfinden es sehr verletzend, dass nach – nur 6 Wochen, nach 2 Jahren oder nach 15 Jahren – der Verstorbene „vergessen“ ist – nicht erwähnt wird – trotzdem sie ja Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen oder gute Bekannte waren.

3.3      Wie sollen sich Sie sich gegenüber Trauernden verhalten?

3.3.1    Das tut dem Trauernden gut

Wenn Sie nicht zum engeren Kreis derer zählen, die für den Trauernden eine regelmäßige „Trauerbegleitung“ leisten, sondern zum Kreis der Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen und Bekannte zählen:

  • Sprechen Sie den Namen des Verstorbenen aus.
  • Sagen Sie, dass Sie an den Verstorbenen denken, wie sich für Sie die Rückerinnerung, vielleicht auch das Vermissen ausdrückt, wann und bei welchen Gelegenheiten Sie an ihn gedacht haben oder immer wieder denken.
  • Wenn es so ist, berichten Sie, wann und was Sie vom Verstorbenen geträumt haben.
  • Wenn Sie schon länger nicht mehr an den Verstorbenen gedacht haben, können Sie trotzdem ausdrücken, was Sie gerade im Moment der Begegnung mit der trauenden Person empfinden und wie Sie gerade jetzt an den Verstorbenen denken, was Sie an ihm geschätzt haben und welche Gedanken Sie noch heute mit ihm verbinden.
  • Wenn Ihnen als Freund in einer geselligen Runde eine spontaner Erinnerung mit dem Verstorbenen in den Sinn kommt, sprechen Sie diese ganz natürlich aus, auch wenn der anwesende Trauernde eine Träne in die Augen bekommt, wird er die augenblickliche Gemeinsamkeit und die Verbindung mit dem Verstorbenen sehr wertschätzen – Sie brauchen den Trauernde nicht vor Gedanken an den Verstorbenen „bewahren“ – je nach Nähe zum Verstorbenen, wird beispielsweise eine Mutter, ein Vater, ein Geschwister, ein sehr guter Freund vielleicht ohnehin täglich an den Verstorbenen denken. Siehe Geschichte am Schluss dieses Dokuments aus „Gute Trauer – Vom Umgang mit Verlusten“

Bleiben Sie immer ehrlich, der Trauernde hat eine sehr feine Wahrnehmung, ob das Gesagte stimmig ist und aus Ihrem Herzen kommt! Eine wohlgemeinte „Notlüge“ kann sehr viel Verletzung verursachen.

3.3.2    Das sollten Sie vermeiden

Vermeiden Sie alle Aussagen, die dem Trauernden die Trauer nehmen oder erleichtern sollen.

Der Trauernde will und muss seine Trauer selbst durchleben, er kann sie nicht teilen oder abgeben, es ist sein Angehöriger, seine Verbindung, seine Trauer die er durchleben muss.
Sie leben nicht in der gleichen Lebenssituation und können sich, auch wenn Sie das auch in guter Absicht meinen, nicht in die Situation hineindenken, wenn Sie nicht eine „gleiche“ Situation durchlebt haben. Sicher hatten auch Sie schon beim Erleben eines konkreten Trauerfalls gedacht wie schlimm es für Sie wäre ein Kind, den Partner oder als junger Mensch ein Geschwister zu verlieren, Sie haben das Empfinden aber nicht real erlebt und nicht Tage, Monate und Jahre durchlebt und getragen. Gerade hier liegt ein Grund, weshalb Trauernde sich von Trauernden mit ähnlichen Trauererlebnissen sich oft besser verstanden fühlen und ihre Erlebnisse auch teilen können.

Folgende Aussagen oder Verhaltensweisen sollten Sie unbedingt vermeiden:

  • Jede Art von „Vertröstung“ – er hatte einen „schönen“ Tod – die Frage was ein „gutes“ Sterben sein kann, können Sie nur für sich definieren, nicht bezogen auf die Angehörigen. Ein schneller, unvorhergesehener Tod hat nicht die Möglichkeit geboten sich zu verabschieden, sich auszusprechen, möglicherweise belastet die Hinterbliebenen was Sie noch gerne sagen wollten, aber nicht möglich war. Auch für den Sterbenden kann wie Elisabeth Kübler-Ross sagt, die Möglichkeit der Verabschiedung, das Auflösen „unerledigter“ Aufgaben und die Aussöhnung bei Unfrieden das Sterben erleichtern.
  • Sagen Sie nicht, Ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen.
  • Beschreiben Sie nicht, wie es dem Verstorbenen jetzt geht, dass es ihm jetzt „besser“ geht als hier auf Erden – lebend bei dem Trauernden.
  • Sagen Sie nicht, du musst jetzt …, ein bestimmtes Buch lesen, eine Begleitung in Anspruch nehmen, … ins Leben zurückkehren, …auf andere Gedanken kommen, du brauchst jetzt „Tapetenwechsel“

– alle diese „Rat-Schläge“ sagen, regle du jetzt deine Sache!

  • Sagen Sie nicht, „Zeit heilt alle Wunden“ oder „das Leben geht weiter“, „Kopf hoch, das wird schon wieder“
    Der trauernde Angehörige bewältigt in den ersten Tagen und Wochen oft für andere fast Unvorstellbares. Diese Worte sind jedoch keine Hilfe und Zeit heilt eben in schweren Trauerfällen nicht alle Wunden. Das Leben des Trauernden kann nicht wieder werden wie es war, da ihm ein wesentlicher Teil des Lebens genommen wurde.

3.4      Was braucht der Trauernde jetzt?

  • Einen kleinen Kreis von Begleitern, von Zuhörern, die das bereits Gesagte immer wieder anhören und mit „aushalten“ können, die „den Weg mitgehen“ und auch die bereits zurückgelegte Wegstrecke der Trauer kennen,

„mit‑aushalten“ meint aber nicht „mit‑tragen“ im Sinne von abnehmen.

  • Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen und Bekannte sollen sich „natürlich“ verhalten, sie sollen die trauernde Person, wenn es gewünscht ist, auch mal in „Ruhe“ lassen,
    sie sollten vorsichtig auf den Verstorbenen zusprechen kommen und wahrnehmen wie der Trauernde darauf reagiert. Der Begleiter muss auch mal den Ausdruck der Enttäuschung des Trauernden auch gegenüber ihn selbst aushalten können, dann ist es gut sich zu sagen, „jetzt brauchst du mich nicht oder ich kann dir jetzt keine Hilfe sein, aber du weißt, du kannst dich immer bei mir melden und ich werde, wenn du es willst, da sein“.

4       Trauer „leben“

4.1      Trauer ist niemals gleich – Trauerbeziehungen

Für den Umgang mit Trauernden müssen wir beachten, dass Trauer sehr individuell ist. Es ist äußerst gefährlich, gelebte Trauer zu kommentieren oder den Trauernden gar einreden zu wollen, dass seine Trauer falsch ist.

Je nach Schwere der Trauer kann es Menschen geben, die von ihrem Naturell her in der Lage sind ihre Trauer allein zu leben und nach dem Tode eines geliebten Menschen sehr gut und bald am Leben mit Freunden und Bekannten teilnehmen können. Ihnen sollen wir zeigen, dass wir da sind wenn sie uns brauchen und sie sonst ihren Weg gehen lassen. Andere Menschen werden, mit sicher auch anderen Trauersituationen, für eine längerfristige Hilfe dankbar sein.

Trauernde machen oft die Erfahrung, dass Sie ohne persönliches Gespräch auf Fachstellen oder Gesprächskreise weiter verwiesen werden. Sie sind enttäuscht und finden oft nicht mehr die Kraft, sich andere Hilfe zu suchen. Ich kann nur raten, niemals aufzugeben, auch nach der x-ten Enttäuschung und immer wieder weiter nach Hilfen zu suchen, es gibt sehr gute Begleiter! Hilfen mit möglicherweise verschiedener Qualifikation können sich sehr gut ergänzen.

Für mich persönlich waren Trauergesprächskreise wenig Hilfe, meist ist die Nachfrage zu gering um Trauerkreise mit Trauernden aus etwa zeitgleichem Trauerbeginn zu organisieren, so kommen in die Gesprächskreise immer wieder neue Trauernde hinzu, die verständlicher Weise dann wieder von vorne beginnen, das für mich bereits „zur Ruhe gekommene“ und das zumindest teilweise „Geheilte“ wurde wieder neu aufgebrochen.

Oft tut es auch nicht gut, wenn sehr unterschiedliche Trauersituationen auf eine Ebene gestellt werden. Für mich persönlich war es wertvoll, mit verschiedenen Gesprächspartnern und Begleitern zu sprechen, die sich oft ergänzten. Mir waren auch Bücher verschiedenster Autoren und Fragestellungen eine große Hilfe. Ergänzend habe ich Vorträge und Exerzitien besucht, als religiöser Trauernder waren dies meist Veranstaltungen mit Theologen, welche auch einschlägige Zusatzqualifikationen hatten. Gespräche mit dem vertrauten Hausarzt erweitern den Blickwinkel und können ebenfalls eine große Hilfe sein. Ein guter Arzt als Begleiter ist ja auch wichtig, um eventuelle gesundheitliche Auswirkungen im Blick zu haben.

Die Suche nach einer, für den Trauernden konkret passenden Hilfe, kann sehr anstrengend sein, je nach Schwere der Trauer ist jedoch externe Hilfe oft unverzichtbar, für mich war der Weg intensiver Trauerarbeit unbedingt notwendig und heilsam.

Trauer ist meist nicht die einzige Belastung des Trauernden, wie (fast) alle Menschen trägt auch der Trauernde weitere Lebenslasten mich sich und das konkrete zusätzliche Trauerereignis kann die Belastbarkeit an die Grenze bringen.

4.2      Wer trauert?

Je nach Beziehung (Eltern, Partner, Kind, Freund) zum Verstorbenen, der persönlichen Struktur und vielen weiteren Umständen der Trauernden ist die Situation für Trauernde sehr verschieden. Es ist „normal“ und gut, dass wir „unsere Aufgaben zum Abschluss bringen“ möchten, für bestimmte Trauersituationen ist das aber weder möglich, noch das Ziel, deshalb habe ich zu den häufigen Begriffen „Trauer‑Bewältigung“ und „Trauer‑Verarbeitung“ noch immer ein sehr differenziertes Verhältnis. Die Trauer um ein Kind wird niemals abgeschlossen sein, auch nicht nach 15 Jahren. Bis ins hohe Alter werden Eltern und oft auch Partner, mehrfach am Tag an ihr Kind oder an ihren Partner denken – manchmal mit Schmerz, manchmal in sehr guter und wohltuender Verbundenheit.

4.2.1    Verwaiste Eltern

Für „verwaiste“ Eltern wird sich die Zeit danach in der Regel deutlich verändern, sie wird „anders“, weniger unbeschwert, empfindsamer, leichter verletzbar, aber oft aber auch intensiver, tiefgründiger und bewusster.

Sie werden sich oft weniger, andere und intensivere Freundschaften suchen und finden.
Sie werden andere Bedürfnisse entwickeln und tun sich schwer mit Ausgelassenheit und oberflächlichen Gesprächen.

Sie werden, falls Sie religiös sind oft ihre Religiosität verändern, anders beten und andere Erwartungen an Gottesdienste und andere Veranstaltungen haben.

Sie sind empfindlich gegenüber Verletzungen gegenüber Dritten und bei verletzendem Reden in Gesprächsrunden. Sie stört an einem Großteil der Satire und kabarettistischen Veranstaltungen, dass auf Kosten Dritter „Unterhaltung“ und ein (aus-)lachen erzeugt wird und für sich selbst auf diese Weise ein „Name“ und Geld gemacht wird.

Sie haben auch gelernt sich leichter eine Pause zu nehmen und sich Ruhe suchen.

Trauernde empfinden ihre Zeit „danach“ oft als Reifung ihrer Persönlichkeit, die natürlich nicht als Entschädigung für den Verlust betrachtet werden darf.

4.2.2    Verwaiste Kinder oder Geschwister

Verwaiste Kinder oder Geschwister gehen äußerlich meist anders mit ihrer Trauer um als verwaiste Eltern. Sie können im Freundeskreis früher lachen und ausgelassen sein, was den trauernden Eltern sehr gut tut.

Gerade wenn schwierige Lebenssituationen eintreten oder wichtige Lebenseinschnitte anstehen, werden sie mit Gedanken an den Verstorbenen berührt. Zu bedenken ist auch, dass ihnen bereits in jungen Jahren diese Aufgabe auferlegt wurde und sie diese eine weite Wegstrecke zu tragen haben. Auch für sie wird sich die Zeit danach meist deutlich verändern, sie kann aber auch für sie eine Chance zur Reifung und Stärkung sein.

4.2.3    Trauer um den Lebenspartner

Für „verwaiste“ Partner kann sich die Zeit danach deutlich verändern, auch „anders“ werden, weniger unbeschwert, empfindsamer, leichter verletzbar!

Wenn ein Partner nach langer Partnerschaft und in höherem Alter stirbt, wird von jüngeren Menschen oft gedacht, der Verstorbene hatte doch ein zumindest relativ langes Leben. Sterben sei ab einem gewissen Alter natürlich und für den trauernden Partner sollte der Grund zur Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit im Vordergrund stehen.

Für den Trauernden wir der Grund zur Dankbarkeit durchaus anerkannt, dennoch ist der über Jahre fast ausschließliche Lebensbegleiter und Partner gegangen. In den letzten Jahren sind sie oft nochmal mehr zusammengewachsen und haben sehr viel mehr Zeit miteinander verbracht als in Zeiten des Berufslebens, der Kindererziehung und der vielen Aktivitäten und Unternehmungen. Der Partner war in den letzten Jahren immer da, was auch ein Stück Sicherheit bedeutet hat. Nun muss möglicherweise, das Haus verlassen, die Wohnung, der Wohnort gewechselt oder in ein Heim gezogen werden, alles was der Partner an Aufgaben übernommen hatte ist nun neu zu regeln und wird oft als Überforderung gesehen – das ist eine Veränderung, die selbst jüngeren Menschen sehr schwer fallen würde.

Unabhängig von der Dauer der gemeinsamen Zeit gibt es Trauernde, die nach einer bestimmten Zeit, wieder neue Lebenspartnerschaften eingehen können, für andere ist das unvorstellbar und auch nicht möglich. Wir dürfen dies nicht bewerten! Wichtig ist, dass der Verstorbene auch in einer neuen Partnerschaft seinen Platz hat. Die neue Partnerschaft wird schon aus Gründen einer anderen Lebenssituation nicht vergleichbar sein.

Wenn sich ein Trauernder für keine neue Partnerschaft entschließen kann, ist auch das für uns zu achten!

Bild: zwei Bäume in „besonderer Nähe“ deren Wurzelstock über viele Jahre ineinander verwachsen ist! – Nicht trennen, sondern neu definieren, so oder so!

 

Das sollten Trauernde unbedingt beachten!

Keine großen, weitreichenden und endgültigen Entscheidungen im Trauerjahr treffen.

Oft möchte gerade nach dem Tod des Partners, der hinterbliebene Partner offene, materielle Fragen nun bald regeln, wurde dies doch zu Lebzeiten des Partners versäumt. Es soll nach dem eigenen Tod des hinterbliebenen Partners „Friede“ sein.

Falls solche Entscheidungen unaufschiebbar anstehen, holen Sie sich neutrale, kompetente und vertrauensvolle Beratung(en) ein, sinnvoll kann auch eine zwischenzeitliche, nicht endgültige Lösung sein.

4.2.4    Trauer über Eltern

Für Erwachsene ist der Abschied und die Trauer über ihre Eltern natürlich und wichtig. Sie kann aber meist in angemessener Zeit eine natürliche Trauer werden. Die trauernden Kinder können in der Trauer eine Phase des Abschieds durchleben, sie können sich erinnern, dass sie ihren Eltern ihr Leben verdanken, von ihnen nachhaltig ab der frühkindlichen Lebensphase geprägt wurden, ihnen ihre Begabungen und wesentliche Anteile ihres Wesens verdanken.

Trauer über Eltern hat das Ziel, eine gute, dauerhafte Verbindung zu den verstorbenen Eltern zu finden. Das gilt natürlich auch für die anderen Beziehungsverhältnisse Trauernder zu ihren Verstorbenen, hier kann und darf jedoch immer ein Trennungsschmerz bleiben.

4.2.5    Haben es Menschen leichter, die beruflich mit Trauer und der Begleitung Sterbender zu tun haben?

Selbst für Menschen, die beruflich mit Trauer und der Begleitung Sterbender intensiv zu tun haben wie Trauerbegleiter, Geistliche, Ärzte und Autoren einschlägiger Bücher bleibt es eine Herausforderung, ihre eigene letzte Zeit und die Trauer naher Angehöriger oder Freunde zu bewältigen und annehmen zu können. Selbst Elisabeth Kübler-Ross, die tausende Sterbende begleitet hat, hatte ihre Not. Auch Menschen, die aufgrund ihrer Erlebnisse in ihrer aktuellen Lebenssituation keine Angst vor dem Tod haben, erleben in ihrer konkreten, eigenen Situation eine neue Sichtweise und können ihre gekannte Sicherheit verlieren.

5       Was kann helfen mit Trauer und anderen Verlusten und Belastungen zu leben

Gemäß Viktor E. Frankl, dem Begründer der Logotherapie,

es bringt uns nicht weiter anzuklagen und auf die Vergangenheit gerichtet zu fragen

– „warum ist das so geworden, was oder wer hat Schuld.“

Der einzige Weg kann sein, in der Gegenwart Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und eine Antwort auf die Frage zu geben,

– wie kann ich meinem Leben heute Sinn und Würde geben?

Viktor Emil Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien, er hatte aber auch Professuren in Amerika inne, und zwar an der Harvard University sowie an Universitäten in Dallas und Pittsburgh. http://www.logotherapie.net/

Unsere Bedingungen sind oft nicht zu ändern, mein Elternhaus, meine Vorgesetzten, die Menschen die mich umgeben (Nachbarn, Verwandtschaft,…), oder die politische Situation in meinem Land …, wir haben die Möglichkeit aus jeder Situation das Beste zu machen.

„In der Trauer lebt die Liebe weiter“
Zwei Seiten einer Medaille – die Seite der Trauer und die Seite der Liebe wahrnehmen

6       Trauerphasen

Zu den einzelnen Phasen einer Trauer werden verschiedene Modelle beschrieben.

Siehe „Gute Trauer – vom Umgang mit Verlusten“, Granger E. Westberg, Seite 19 ff

Die Unterteilung und Beschreibungen können für den Trauernden hilfreich sein, um seine aktuelle Situation besser definieren und verstehen zu können, das eigene momentane Empfinden einzuordnen und ihm zeigen, dass er seine Situation als „normal“ sehen darf und einen Prozess darstellt.

Bei den Beschreibungen der Modelle finden Sie auch immer den wichtigen Hinweis, dass die Trauerphasen nicht einmalig durchlaufen werden, sondern sich, auch in unterschiedlicher Folge, wiederholen. Aus diesem Blickwinkel stellen die unterschiedlichen Trauermodelle für mich auch keinen Widerspruch dar, sondern sind einem Trauernden bekannte Phasen seiner eigenen Trauer. Je nach individueller Situation kann sich der Trauernde in der einen oder in der anderen Beschreibung wiederfinden.

 

Trauerphasen

Phasenmodelle

Nach Erich Lindemann, Professor für Psychiatrie in Harvard, 1944
5 Phasen: körperliche Symptome – ständige Beschäftigung mit dem Bild des Verstorbenen – Schuldgefühle – feindselige Reaktionen – Verlust gewohnter Verhaltensmuster

Elisabeth Kübler-Ross, 1969:
4 (-5) Phasen: Nicht-wahrhaben-wollen (Leugnen) – Zorn – verhandeln – (Depression) – Akzeptanz

Verena Kast, Psychotherapeutin, Dozentin, Lehranalytikerin am C.G.-Jung-Institut Zürich,
Professorin und Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie.
Verena Kast hat in ihrem Modell die Phasen von Elisabeth Kübler-Ross mit Erkenntnissen von John Bowlby, Colin Murray-Parks und der analytischen Psychologie zu einem vierphasigen Modell der Trauerphasen verschmolzen
4 Phasen: Leugnen, Nicht-wahr-haben-wollen – Intensive aufbrechende Emotionen –
Suchen, Finden, Loslassen – Akzeptanz und Neuanfang

Yorick Spiegel, evangelischer Theologe und Professor für Systematische Theologie (Sozialethik) an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main entwickelte bereits 1972 ein psychoanalytisch orientiertes Modell
4 Phasen: Schock – kontrollierte Phase – Phase der Regression – Phase der Anpassung

Nach Granger E. Westberg, Professor für Medizin und Theologie an der Universität of Chicago,
1971 Buch „Good Grief: A Constructive Approach to the Problem of Loss“
in Deutsch: „Gute Trauer – Vom Umgang mit Verlusten“
10 Phasen: der Schock – Emotionen brechen auf – Niedergeschlagenheit und das Gefühl tiefer Einsamkeit – körperliche Symptome eines seelischen Kummers – Panik – Schuldgefühle – Wut und Groll – der beschwerliche Wiedereinstieg ins Leben – allmählich kehrt Hoffnung zurück – die Realität annehmen

William Worden, Professor für Psychologie und Psychiater,
ergänzt 1982 das Phasenmodell durch das Aufgabenmodell und das Spielraum-Modell
beschrieben auch in Buch „Trauern mit Leib und Seele“, Klaus Onnasch und Ursula Gast

das Aufgabenmodell
4 Aufgaben: den Verlust als Realität akzeptieren – den Schmerz verarbeiten – sich an eine Welt ohne die verstorbene Person anpassen – eine dauerhafte Verbindung zu der verstorbenen Person inmitten des Aufbruchs in ein neues Leben finden.

das Spielraum-Modell
es hat das Ziel, in einem Spielraum langsam zu Lösungen zu kommen, um Blockierungen, Verkrampfungen, Spannungen und Schmerzen zu überwinden.

7       Bücher und andere Hilfen

Folgende Auflistung ist nur eine kleine Auswahl von Büchern, die mir wichtig waren und teilweise noch heute sind. Mit der Zeit werden Ihnen wichtige Aussagen in früher gelesenen Büchern und eigenen Aufzeichnungen möglicherweise nicht mehr stimmig oder hilfreich sein, das ist gut so, zeigt es doch, dass Sie sich in eine andere Trauerphase weiterentwickelt haben.

In Stadtbibliotheken haben Sie oft ein sehr umfangreiches Angebot und eine gute Vorauswahl zu diesem Thema und können sich so kostenfrei oder für wenig Geld versorgen.

Viele Bücher: Elisabeth Kübler-Ross, international bekannte Sterbeforscherin aus der Schweiz, lange in den USA lebend

Viele Bücher Anselm Grün

Viele Bücher: Verena Kast, Psychotherapeutin, Dozentin, Lehranalytikerin am C.G.-Jung-Institut Zürich, Professorin, Vorsitzende der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie

Buch: Trauern mit Leib und Seele, Klaus Onnasch, Ursula Gast
Die Autoren bringen ihre Erfahrungen aus mehr als 30 Jahren Trauerbegleitung ein: Sie geben Anregungen, den eigenen Weg durch die Trauer zu gehen.

Buch Trauernden begegnen, Elisabeth und Rainer Strnad

Buch: Gute Trauer – Vom Umgang mit Verlusten, Granger E. Westberg,
Professor für Medizin und Theologie an der Universitätof Chicago,
das Buch beschreibt zehn emotionale Stadien der Trauer und wurde in den USA mehr als 3 Millionen Mal verkauft

 

CDs: Viele Trauernde finden in der Trauer Hilfe in Übungen zur „inneren Ruhe“ wie Yoga, Achtsamkeitstraining wie MBSR, Meditation, Kontemplation … auch hierzu gibt es in Stadtbibliotheken ein gutes Angebot.

Buch mit CD: Achtsamkeitstraining MBSR, Jan Thorsten Eßwein

Viele Bücher, teils mit CD: Gesund durch Meditation, Jon Kabat-Zinn
Begründer der MBSR-Methode

Viele Bücher, teils mit CD: Jack Kornfield

Links zur Trauer- und Sterbebegleitung

http://www.bistum-regensburg.de/news/sterbende-begleiten-ein-leitfaden-4997/

http://www.bistum-regensburg.de/dienst-hilfe/helfen-und-beraten/hospizseelsorge/

www.seelsorge-pflege.de

www.hospizverein-sad.de

 Aus „Gute Trauer – Vom Umgang mit Verlusten“
– Kapitel: der beschwerliche Wiedereinstieg